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AVIVA-BERLIN.de 3/3/5785 - Beitrag vom 23.04.2010


65. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Sachsenhausen und Ravensbrück
Nadja Grintzewitsch

An den Gedenkveranstaltungen vom 16. – 19. April 2010 nahmen knapp 200 Überlebende aus der ganzen Welt teil, unter anderem aus Israel, Polen, Russland und den USA. Eingeladen waren weitaus mehr...




... Gäste - doch die Sperrung des Luftverkehrs verhinderte die Anreise von gut einem Drittel von ihnen. Manche Flüge wurden umständlich umgeleitet, andere starteten gar nicht erst. Die Betreuung der internationalen Gäste übernahmen – wie in den Jahren zuvor – freiwillige Helferinnen und Helfer.

Beim Vortreffen der Ehrenamtlichen erschien Prof. Dr. Günter Morsch höchstpersönlich, um sich für ihr außerordentliches Engagement zu bedanken. Es hätten sich sogar so viele HelferInnen gemeldet, dass nicht jede Bewerbung berücksichtigt werden konnte, erklärte der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Er wies die Anwesenden darauf hin, dass die hochbetagten Überlebenden "sehr viel mehr Betreuung als beim 60. Jahrestag" bräuchten. Entsprechend ihrer Fremdsprachenkenntnisse und des Studienschwerpunktes wurden die insgesamt etwa 100 Freiwilligen – größtenteils im Alter zwischen 20 und 30 Jahren - den jeweiligen Nationalitäten zugeteilt.

© Carsten Betzin


Chaos im Flugverkehr

Bis zuletzt hatten die BetreuerInnen der israelischen Gruppe gehofft, ihre 27 Gäste am Flughafen Schönefeld in Empfang nehmen zu dürfen. Doch die Enttäuschung war groß – der Flug aus Tel Aviv war gar nicht erst gestartet, die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjalla sorgte für ein Flugverbot über dem gesamten Berliner Luftraum. Die zweite Maschine mit 24 israelischen Überlebenden und Begleitpersonen wurde dagegen nach München umgeleitet: Entsetzen und Ratlosigkeit unter den VolontärInnen.

Mit einem von Air Berlin organisierten Shuttlebus gelangten die Gäste schließlich doch gesund und wohlbehalten am Hotel an. Sofort tummelten sich gut ein Dutzend Ehrenamtliche um die Ankömmlinge, trugen die Koffer und halfen beim Einchecken. Ein munteres Sprachgewirr aus Hebräisch, Englisch und Deutsch erfüllte sogleich die Luft. "We travelled 7 hours by bus from Munich to Berlin, now we are totally tired. I didn´t sleep last night because we started so early in Tel Aviv", beschrieb Seli Gerecht, eine der Begleitpersonen, die strapaziöse Reise. Die Stimmung war trotz alledem erstaunlich ausgelassen. "Wo ist denn nun diese Wolke, wo?", rief eine Dame lachend. "Wir haben sie vom Flugzeug aus gar nicht gesehen!"

© Carsten Betzin


Die Auftaktveranstaltung musste infolge der langen Anreise ohne die israelischen Gäste stattfinden: Unter strahlend blauem Himmel wurde das Todesmarschmuseum im Belower Wald zusammen mit einer Open-Air-Ausstellung über die Todesmärsche neu eingeweiht. In einer eindringlichen Ansprache erklärte der Auschwitz-Überlebende Jacov Tsur vor Hunderten von ZuhörerInnen: "Wir wissen, dass eine Tat nicht vererbbar ist. Es gibt keine Kollektivschuld, aber eine gemeinsame Verantwortung." Weiterhin versicherte Tsur, dass er "Vertrauen in die deutsche Jugend habe", warnte aber gleichzeitig vor dem offensichtlichen Geschichtsrevisionismus der Neonazis.

In den folgenden Tagen erklärten sich mehrere der angereisten Gäste zu ZeitzeugInnengesprächen bereit und berichteten über ihre Erlebnisse während des Nationalsozialismus. Höhepunkte der mehrtägigen Begegnungstage waren die Verleihung des Oranienburger Toleranzpreises, der an eine Hennigsdorfer und an eine Bremer Schule ging, sowie die Aufführung der Operette „Le Verfügbar aux Enfers" der Französin Germaine Tillion in der Gedenkstätte Ravensbrück.

© Carsten Betzin


Herausragendes Engagement

Während der gesamten Begegnungstage wichen die Ehrenamtlichen ihren internationalen Gästen nicht von der Seite, halfen bei den Mahlzeiten, begleiteten die zahlreichen Exkursionen und hatten immer ein offenes Ohr für persönliche Belange. Es entstanden generationsübergreifende Freundschaften, viele tauschten Adressen und Telefonnummern aus. "Sagt den Organisatoren, ich will gar nicht mehr zurück nach Israel, so sehr werde ich hier verwöhnt", erklärte der gebürtige Pressburger Walter Morgenbesser mit einem Augenzwinkern.

Das Konzentrationslager Sachsenhausen wurde am 22. April 1945 von polnischen und sowjetischen Truppen befreit, das Frauenlager Ravensbrück etwa acht Tage später. Zehntausende erlebten die Befreiung durch Hunger, Krankheiten und die gezielten Mordaktionen der SS nicht. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters der ZeitzeugInnen wird der 65. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager wahrscheinlich eine der letzten Möglichkeiten gewesen sein, mit Überlebenden des Naziterrors zu sprechen.

Weitere Informationen finden Sie unter:

www.stiftung-bg.de

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Beitrag vom 23.04.2010

AVIVA-Redaktion